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Plötzlicher Frühlingseinbruch

„Ich kann einfach so draußen sein, ich muss mich nicht die ganze Zeit bewegen, um warm zu bleiben!“ hat mein Kind schon gestern fröhlich gejuchzt. Und ja, das tut so unglaublich gut. Der Temperatur-Unterschied zu letzter Woche ist wirklich enorm. Es hat etwas von einem Bilderbuch-Frühlingseinbruch mit den im Schatten noch gefrorenen Schneemassen und den in der Sonne zu lauter kleinen Bächen geschmolzenen Eisflächen. Überall plätschert und gluckert es, meine Füße sinken in weichen, kalten Matsch. Ich brauche meine Wolljacke nicht. „‘Hier stehe ich und spüre, wie der Winter aus mir herausrinnt', sagte Ronja [Räubertochter].“

 

 

 

Ich habe heute etwas mehr Zeit und mein Revier gewechselt. Es zieht mich in die Sonne und statt des schattigen Waldes suche ich die wilden Wiesen eines Naturschutzgebietes vor der Stadt auf. Herzlich Willkommen in Cyriaxweimar. So sehr ich es genieße, in dem Wald vor meiner Haustür all die vielen kleinen Veränderungen von Tag zu Tag zu beobachten, so sehr mag ich es auch, die größeren Veränderungen nach etwas längerer Zeit in meinen anderen Lieblingsgebieten zu bestaunen. Ich war im Winter einmal hier, mit meiner Aufmerksamkeit hauptsächlich beim Kind und im letzten Herbst zum letzten Mal alleine. Meine Lieblingsbäume und Sträucher stehen kahl zwischen der frühlingswarmen Sonne von oben und dem winterkalten Boden. Die ein oder andere Knospe schickt sich an, aufzubrechen, aber die Pflanzen sind gezeichnet vom harten Frost der letzten Wochen und der langen, nicht enden wollenden Trockenheit in den letzten Jahren. Viele Äste sind abgebrochen und alles wirkt erschöpft. Als müssten alle noch einmal tief durchatmen, bevor sie durchstarten können.

 

 

 

Ich finde einen wunderbaren Platz am Rande einer kleinen Schlucht. Hier kann ich sitzen, mir von der Sonne den Rücken wärmen lassen und habe einen bequemen Blick auf die Wipfel der Bäume in der Schlucht. Von Weitem habe ich gesehen, dass hier viele Vögel unterwegs sind. Ein Eichelhäher warnt alle vor meiner Ankunft und als ich mich setze, sind nur noch zwei schimpfende Kohlmeisen da. Ich bleibe lange sitzen und einige Vögel kommen wieder. Manche nur, um direkt wieder zu flüchten. Andere stufen mich als ungefährlich ein und ich kann zwei Elstern und einen Kleiber beobachten. In der Ferne hämmert ein Specht.

 

 

 

Eine klitzekleine Spinne krabbelt hektisch an mir hoch. Kugelt sich ein, wenn ich sie berühre. Wer bist du, winziges Wesen? Ich habe kein Bestimmungsbuch bei mir. Eigentlich extra nicht. Ich bin nicht hier, um nachzulesen, was andere zu wissen glauben, sondern um selbst zu lernen, kennen zu lernen.

 

Und es ist wirklich herrlich, dies in aller Ruhe tun zu können, ohne zu frieren. Als würde man auch innerlich auftauen. Den nächsten Kaffee gibt es draußen in der Sonne. Bei dir auch?

 

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