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Von Neubeginn und Licht

Es ist Frühlings-Tag-und-Nacht-Gleiche. Das kleine Licht, das kurz vor Weihnachten zart und schwach geboren wurde, ist kräftig geworden. Heute ist es genau so lange hell, wie es dunkel ist. Ich liebe diesen kurzen Moment der völligen Ausgewogenheit. Danach werden die Tage länger als die Nächte. Meteorologisch ist dann jetzt also Frühling.

 

Wir haben es geschafft. Wir haben diesen dunklen, kalten, eintönigen und einsamen Coronawinter überstanden. Ja, die Ausblicke könnten rosiger sein gerade, aber ich freue mich auf wieder mehr Gespräche über den Gartenzaun oder mal ein risikoarmes Treffen draußen mit Abstand. Auf Luft und Licht. Darauf, dass die Buchenknospen aufgehen und ihre sauer und frisch schmeckenden Blättchen freigeben. Darauf, mit den Händen in der Erde zu wühlen.

 

Passenderweise ist es bei uns heute recht mild. Ich habe zwar die dicke Jacke an, aber ich sitze draußen in Ruhe ohne zu frieren. Sitze auf einer Anhöhe im Wald, von der aus ich auf meine Stadt herunter schauen kann. Auf das Schloss aus dem 11. Jahrhundert. Was alles geschehen ist in dieser Stadt, seitdem es das Schloss gibt! Gerade geschieht eine Pandemie. Aber es ist nicht so schlimm wie damals die Pest. Mir hilft dieser Gedanke gerade.

 

Der Gedanke weckt in mir den Wunsch, einen alten Baum zu finden. Einen dieser jahrhundertealten, majestätischen Riesen, die Weisheit ausatmen. Ich schlendere daher weiter, folge einem verschlungenen Pfad, den ich noch nie zu Ende gegangen bin.

 

Ich komme an dicht stehenden jungen Fichten vorbei, dann an einer Stelle, die übersät ist mit Heidelbeeren. Die muss ich mir für den Sommer merken.

 

Einem Baumriesen begegne ich nicht. Stattdessen scheint die Sonne auf einmal auf einen Birkenkindergarten. Hell leuchten zahllose junge weiße Stämme, strecken sich luftig in den Himmel hinein. Ich gehe näher heran an diese Baumart, von der man sagt, dass sie für Licht, Leichtigkeit und Wärme steht. Nicht zuletzt, weil die Rinde einen hervorragenden Zunder abgibt.

 

Und sie schält sich, diese Rinde. Feine Streifen lösen sich und offenbaren eine neue Schicht. Wie ein rein weißes, unbeschriebenes Blatt kommt sie zum Vorschein.

 

Und so hat es die Natur wieder mal geschafft, mir zu zeigen, was gerade dran ist. Die Stimmung der Frühlings-Tag-und-Nacht-Gleiche. Es ist eine Zeit des Neubeginns, oder, wie Kathrin in ihrem neuen Newsletter schreibt, der Morgenröte.

 

Was mag er uns bringen, dieser Frühling, dieser Sommer? Was schreibt ihr auf euer neues Blatt? Habt ihr schon Pläne geschmiedet?

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